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Ausstellungen

THEMA:FRAUEN:THEMA III

Körper – Sexualität

17. Dezember 2002 – 25. Jänner 2003

Michaela Göltl (AT), Maria Hahnenkamp (AT), Katharina Mouratidi (DE), Isabelle Mühlbacher (AT), Sascha Regina Reichstein (CH), Diana Thorneycroft (CA), Andrea Zeitler (DE)

Kataloge | Schwerpunkt: THEMA:FRAUEN:THEMA 2002

 

Eröffnung: Montag, 16. Dezember, 19.00 Uhr

Einleitende Worte: Edith Almhofer

Finissage und Katalogpräsentation: 24. Jänner 2003

Their flesh bears no relation.
Cold folfs of ego, the calla.
And the tiger, embellishing itself-
spots, and a spread of hot petals.

aus Sylvia Plath, The Night Dances

Thema:Frauen:Thema lautet das Jahresmotto, dem die FOTOGALERIE WIEN 2002 insgesamt drei Ausstellungen zu den Themenbereichen Alltag, Mutter und Körper/Sexualität widmet. Damit wird einer sich in den vergangenen Jahren immer deutlicher abzeichnenden Entwicklung Rechnung getragen: Künstlerinnen befassen sich (wieder) verstärkt mit spezifisch weiblichen Belangen. Sie setzen sich mit unterschiedlichsten Aspekten ihres Daseins auseinander und nehmen Motive ins Visier, welche im kulturellen Mainstream nicht bildwürdig sind. Ihr Interesse gilt dem privaten Leben, das zum bevorzugten Feld der ästhetischen Recherche avanciert. Vielfalt und Menge der Beiträge lassen eine erste Sondierung angebracht erscheinen, die nach Absichten und Möglichkeiten der aktuellen Kunst fragt, um Aufmerksamkeit für das zunehmend bedrohte Projekt der Gleichberechtigung zu werben.

Die dritte und letzte Exposition umkreist den Schauplatz Körper–Sexualität. Mit den Medien Fotografie, Video und Installation thematisieren sieben Künstlerinnen aus Deutschland, Kanada, Österreich und der Schweiz unterschiedliche Ansätze der Fremd- und Selbstwahrnehmung des weiblichen Leibes. Damit reagieren sie einerseits kritisch auf die allgegenwärtige Doktrin „Sex sells“, welcher Werbebranche und Medienlandschaft, Mode und Kosmetikindustrie und nicht zuletzt die Medizin satte Gewinne verdanken. Sie nehmen sich andererseits auch eines künstlerischen Sujets an, mit dem seit jeher Geschlechtsrollenklischees festgeschrieben werden. In Anknüpfung einer bereits in den siebziger Jahren begonnenen Auseinandersetzung sind es auch heute wieder primär fotografische Arbeiten von Künstlerinnen, mit denen der Diskurs um Sex und Gender vorangetrieben wird. Dabei werden ganz gezielt die spezifischen Qualitäten des Mediums genutzt, um in den mannigfaltigen Inszenierungen des Weiblichen, die von der Maskerade bis zur chirurgischen Zurichtung reichen, die Möglichkeiten und Grenzen der sinnlichen Erfahrung auszuloten und mit neuen Körperbildern zu experimentieren.

Mit der Kombination von analoger Fotografie und digitaler Bildbearbeitung schafft Michaela Göltl irritierende Inszenierungen, die den menschlichen Körper als Objekt irreversibler Manipulationen zeigen. Wenn im Close-Up die Strukturen von nackter, haar- und faltenloser Haut, die in all ihrer Sinnlichkeit und Verletzlichkeit präsent ist, mit dem kalten Glanz von fleischfarbenem Polyvinylchlorid verschmelzen, changieren Oberflächen und Bedeutungen. Zwischen der Eloge an Medizin und Technik sowie der Vision von der „Maschine Mensch“ und der Frage nach dem Schicksal des Organischen im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit scheinen alle Interpretationen zulässig. Zudem experimentieren die biomorphen Formationen mit einer innovativen Symbolik des Weiblichen: Die Umwandlung erotischer Motive in irreale Formationen bringt eine radikal entsexualisierte Körperwahrnehmung zum Ausdruck, die sich jeglicher Festlegung auf tradierte weibliche Geschlechtsrollenklischees entzieht.

Maria Hahnenkamps großformatige Kompositionen rücken den anonymen Leib ins Blickfeld. Die jüngste Werkreihe zeigt in strahlendes Rot gewandete weibliche Rümpfe in frontalen Ansichten. Farbsymbolik und Linienführung entwerfen ein archetypisches, von allen individuellen Momenten gereinigtes Körperbild und konzentrieren die Wahrnehmung auf die Spezifika der weiblichen Anatomie. Durch den knapp gewählten Bildausschnitt und die ornamentale Anordnung des Motivs gewinnt das Sujet Präsenz. Letzteres wirkt seltsam flach, es fehlt ihm jede Plastizität. Dieser verstörende Eindruck resultiert aus einer ausgeklügelten Inszenierung, die das Bild de facto als Abdruck und Eindruck verwirklicht. Denn zu sehen ist ein Torso, dessen erhabene Teile sich gegen eine Glasplatte pressen: ein Vexierbild, das den Blick unentschieden zwischen Bildträger und Körper schwanken lässt und damit auf die vielfältigen Valenzen des Mediums verweist.

Empathisch nähert sich Isabelle Mühlbacher mit den Medien Fotografie und Video der eigenen Existenz an. Selbstinszenierung und Selbstbeobachtung sind ihr Mittel der Wahl, um lustvoll durch die komplexe Welt der sinnlichen Wahrnehmung zu navigieren. Ob die Künstlerin zu Land oder zu Wasser ein Areal von 16 qm absteckt und wie eine Terra Inkognita mit der Videokamera erkundet oder ob sie auf fotografische Ansichten ihres nackten Körpers männliche Akte projiziert, um damit für eine wechselseitige Bedingtheit der Geschlechter zu votieren, stets zielt sie auf eine (nicht nur in unserem kulturellen Kontext) weithin marginalisierte Tatsache ab: die Unabdingbarkeit des Körper als „conditio sine qua non“ jeglicher Existenz und Erkenntnis. Umgesetzt wird dieses ganzheitliche Konzept durch einen betont rationalen Umgang mit den Darstellungsmitteln. Die flirrenden Bildwelten erwachsen allesamt aus exakt kalkulierten Manipulationen, die fremde wie eigene Bilder und Vorstellungen zu mehrdeutigen Kompositionen verquicken.

Realpolitische Intervention intendiert Katharina Mouratidi mit ihrem Projekt Brustkrebs, für welches sie 22 betroffene Frauen in Halbakten portraitierte, die sich auf eine Annonce in der Berliner Tagespresse meldeten. Allen Modellen stand es frei, sich innerhalb eines schlichten Settings so zu präsentieren, wie sie sich als Opfer einer bereits als Epidemie einzustufenden Krankheit in unserer Gesellschaft dargestellt wissen wollten. Nach dem Shooting wurde gemeinsam die Auswahl des letztlich auszustellenden Fotos getroffen, welches von manchen Frauen auch bei der jährlichen Demonstration der Brustkrebs-Initiative mitgetragen wurde. Die Portraitserie, die Frauen im Alter von 25 bis 63 Jahren darstellt, verweist mit der Unmittelbarkeit der Darstellung, die jedes voyeuristischen Aspektes entbehrt, auf eine jenseits der Kunst noch immer aktuelle, einzigartige Qualität der Fotografie: Nur sie vermag den Augenblick aus dem Erfahrungskontinuum der Wahrnehmung zu isolieren und zu Zwecken der Dokumentation oder Demonstration dauerhaft festzuschreiben.

In hintersinniger Weise recycelt Sascha Regina Reichstein mit ihrer Installation Subjections alte Ausgaben illustrierter Frauenzeitschriften. Sie stapelt die Hochglanzprodukte zu schlanken Türmen und nutzt sie als Projektsionsfläche für erotische Selbstdarstellungen von Frauen, die im Internet ihre private Vision eines begehrenswerten Körpers zur Schau stellen. In ununterbrochener Folge blitzen da Entblößungen von 90 Individuen auf und bieten sich dem voyeuristischen Blick dar. Posen und Gestik der Agierenden sind durchwegs stereotyp, was mit erschreckender Deutlichkeit vor Augen führt, wie nachdrücklich gesellschaftlich definierte Codes Körperideale und Begehren dominieren. Die unmittelbare Konfrontation der künstlich generierten und medial distribuierten Frauenbilder mit individuellen Inszenierungen des Intimen stellt Kontroversielles zur Diskussion: Die Pornographie der Repräsentation, die Freiheit der Einbildungskraft, die Sehnsucht begehrt zu werden und die Utopie einer selbstbestimmten weiblichen Sexualität.

An die Formenwelt des Surrealismus gemahnen die beunruhigenden Bildinszenierungen von Diana Thorneycroft, die den Körper als Schauplatz divergierender Erfahrungen und Empfindungen begreifen. In theatralischen, technisch aufwändig gestalteten Arrangements wird das Bild des nackten Frauenkörpers mit Darstellungen von Männerleibern, Puppen, Tieren sowie unterschiedlichsten Requisiten aus der bizarren Folterkammer der Lüste verwoben. Die Grenzen zwischen Realität und Camouflage bleiben dabei, ebenso wie die sexuelle Identität der handelnden Personen, im Ungewissen. In (alb)traumhaften Settings visualisieren hermaphroditische Geschöpfe ausgefallene sexuelle Phantasien und loten die psychischen und physischen Dimensionen von Angst und Schmerz aus. Trotz der Uneindeutigkeit der Bilder ist der Bezug zur Realität evident. Der Blick in das Abseits zeigt einen zwar verdrängten, nichtsdestotrotz aber machtvollen Aspekt des menschlichen Daseins, die destruktive Einbildungskraft.

Dem fliegenden Wechsel zwischen frei fluktuierenden Identitäten spürt Andrea Zeitler in ihren Tableaux vivants nach, mit denen sie die propagierte Pluralität weiblicher Rollenbilder im Zeitalter der Globalisierung und Multikulturalität lustvoll karikiert. Die gleichermaßen witzigen wie naiven Einzelbilder, die an die facettenreiche Tradition der fotografischen Selbstinszenierung von Künstlerinnen anknüpfen, fügen sich zu einem grotesken Archiv stereotyper Bildhülsen, die heute allerorten mühelos dechiffriert werden können: Die bemühte Hausfrau, die quengelige Göre, das Pin-up Girl, die Prostituierte, die erfolgreiche Geschäftsfrau, usw. Im Gegensatz zu jenen Leitbildern, welche die als immerwährender Kalender weiblicher Identifikationsmuster fungierenden Hochglanzprodukte ununterbrochen ausspeien, machen diese Imaginationen in all ihrer Fragilität und Unvollkommenheit die grausame Diktatur der rituellen Maskeraden sichtbar, denen sich Frauen (heute) allenthalben (mehr oder weniger) freiwillig unterwerfen.

(textliche Betreuung: Edith Almhofer)