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Ausstellungen

THEMA:FRAUEN:THEMA I

ALLTAG

9. April 2002 – 8. Mai 2002

Iris Andraschek (AT), Heidi Czipin (AT), Simone Demandt (DE), Rita Fabsits (AT), Laurie Long (US), Anja Manfredi (AT), Fiona Rukschcio (AT), Moira Zoitl (DE)

Kataloge | Schwerpunkt: THEMA:FRAUEN:THEMA 2002

Thema:Frauen:Thema lautet das Jahresmotto, dem die FOTOGALERIE WIEN 2002 insgesamt drei Ausstellungen zu den Themenbereichen Alltag, Mutter und Körper/Sexualität widmet. Damit wird einer sich in den vergangenen Jahren immer deutlicher abzeichnenden Entwicklung Rechnung getragen: Künstlerinnen befassen sich (wieder) verstärkt mit spezifisch weiblichen Belangen. Sie setzen sich mit unterschiedlichsten Aspekten ihres Daseins auseinander und nehmen Motive ins Visier, welche im kulturellen Mainstream nicht bildwürdig sind. Ihr Interesse gilt dem privaten Leben, das zum bevorzugten Feld der ästhetischen Recherche avanciert. Vielfalt und Menge der Beiträge lassen eine erste Sondierung angebracht erscheinen, die nach Absichten und Möglichkeiten der aktuellen Kunst fragt, um Aufmerksamkeit für das zunehmend bedrohte Projekt der Gleichberechtigung zu werben.

Den Auftakt dieses anspruchsvollen Unternehmens bildet eine Schau mit dem Titel Alltag, die Arbeiten mit den Medien Fotografie, Video und Installation von acht Künstlerinnen aus Deutschland, den USA und Österreich versammelt. Die Werkauswahl präsentiert einen Streifzug durch private Wahrnehmungsfelder. Schlaglichtartig werden Momente weiblicher Lebenszusammenhänge erhellt.

In malerischen Bildfolgen lichtet Iris Andraschek mit Vorliebe das eigene Lebensumfeld ab. Die auf dickes Papier kaschierten und zu Bilderbüchern gebundenen Fotografien zeigen Alltagssituationen, die im Privatleben permanent wiederkehren. In den technisch verfremdeten Nahaufnahmen beginnen die teils vorgefundenen, teils arrangierten Szenarien einer ganz normale Wirklichkeit zu vexieren und zur rätselhaften, befremdlichen Groteske zu verschwimmen.

Heidi Czipin portraitiert Handtaschen. Aus einer stets gleichbleibenden Perspektive betrachtet, wecken die von Frauenhänden behutsam geöffneten Behältnisse unwillkürlich Assoziationen an die weiblichen Sexualorgane. Der Blick fällt auf ein zugleich offenes und doch verborgenes Inneres, auf einen letzten Rest an Privatheit. Das schürt die Neugier auf unentdeckte Geheimnisse und stiftet zu spekulativen Rückschlüssen auf die anonym bleibenden Besitzerinnen an.

Zweckentfremdetes Recycling betreibt Simone Demandt. Ihre formgesägten Prints bilden Spankörbe im Maßstab 1:1 ab, deren Inneres mit Frauenzeitschriften austapeziert ist. Durch die Konfrontation der luxurierenden Imaginationen des Weiblichen, mit welchen uns die kommerziellen Hochglanzmagazine terrorisieren, mit billigen, von Frauenhänden geflochtenen Behältnissen für Obst und Gemüse werden Machtverhältnisse, wie sozial konstruierte Geschlechtsrollen bedrückend transparent.

Rita Fabsists setzt sich in ihren Bildstrecken mit der Farbe Rot auseinander und isoliert symbolträchtige Details, die mit dem weiblichen Körper in Zusammenhang stehen. Ein blutgetränktes Tampon tritt kommentarlos neben eine Frauenhand, welche in die Falten eines Kleides greift. Liebevoll drapierte Textilien repräsentieren Sinnlichkeit. Den Blick auf die entblößte Scham einer menstruierenden Hockenden begleitet ein vaginal konnotiertes Blumenmotiv.

Als Spionin in Sachen Liebe agiert Laurie Long, die ihre Verabredungen mit potentiellen Partnern zur Perfomance stilisierte und samt ihren Anmerkungen zur jeweiligen Situation mit einer Knopflochkamera filmte. Das als künstlerisches Projekt deklarierte Privatleben erlaubte der durch Brotberuf und Kunstschaffen zeitlich voll ausgelasteten Frau, ihren persönlichen Bedürfnissen nachzugehen und zudem die Funktionsmechanismen internalisierter Geschlechterrollen zu studieren.

Anja Manfredi gestaltet beschauliche Genrebilder, in deren Zentrum Frauen stehen. In stiller Versunkenheit dominieren sie die inhaltlich und formal komplexen Kompositionen, ohne sich dem betrachtenden Blick zuzuwenden. Jedes der sparsam eingesetzten Formelemente in den hellen, bis ins kleinste Detail exakt beschriebenen Räume ist mit Bedeutung aufgeladen und stützt die zentrale moralische Botschaft der Bilder: Sinnlichkeit bedarf im westlichen Weltbild der Kontrolle.

Den differenzierten Erscheinungsformen der Gewalt spürt Fiona Rukschcio in ihren reportagehaften Foto- und Videoarbeiten nach. Am individuellen Beispiel einer sich schön machenden Frau wird zum einen die am weitesten durchgesetzte Form weiblicher Selbstzurichtung vorgeführt. Zum anderen schildern Zeitgenossinnen persönliche Erfahrungen mit psychischer und physischer männlicher Gewalt und lüften den über ein gesellschaftliches Tabu gebreiteten Mantel des Schweigens.

Moira Zoitl erforscht mit den Methoden der Oral History die Berufswege von Arbeitnehmerinnen verschiedener sozialer Gruppen und Altersklassen. In ihrer mit Fotoarbeiten und Videofilmen bestückten Installation reflektieren Frauen darüber, wie sie sich aller erlebter Diskriminierung zum Trotz in der Arbeitswelt durchsetzen und behaupten konnten. Die beeindruckende Hommage an selbstbewußten Eigensinn macht aber auch die Nuancen im Anspruchshorizont der Interviewpartnerinnen deutlich.

Die Strategien, derer sich die Künstlerinnen bedienen, sind äußerst differenziert. Die bildgebenden Verfahren reichen von der teilnehmenden Beobachtung bis zur subtilen Inszenierung, von der minutiösen Dokumentation bis zur affirmativen Überhöhung, von der sachlichen Analyse bis zur kritischen Verfremdung.
Was die Erscheinungsformen der Werke betrifft fällt auf, dass das Einzelbild an Bedeutung verliert. Zwar sind Stilleben und Genredarstellung in monumentalen Tableaus vertreten, doch Bildserien und Kombinationen verschiedener Medien, die aber keinerlei Anspruch auf vollständige Repräsentation legen, sind in der Überzahl. Das trägt der Erfahrung Rechnung, dass Erzählungen im Zeitalter der elektronischen Medien längst durch Verzeichnisse abgelöst worden sind. Die raffinierte Agglomeration von Bildern, von denen jedes für sich um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlt, läßt dementsprechend keine Dramatisierung oder Sequenzialisierung erkennen. Sie ist eine Endlosschleife und funktioniert wie eine Datenbank. Sinnstiftende Korrelationen zwischen den disparaten Bildinformationen herzustellen bleibt Sache der interpretierenden Rezeption.

(textliche Betreuung: Edith Almhofer)