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Ausstellungen

PERFORMANCE III

GENDER, POLITIK, SOZIALE FRAGEN UND INTERCULTURAL STUDIES

15. Dezember 2009 – 29. Jänner 2010

Katrina Daschner (DE), Nilbar Güres (TR),  G.R.A.M. (AT), Lena Lapschina (AT), Katarina Šević (RS), Orimoto Tatsumi (JP), Milica Tomic (RS), Martha Wilson (US)

Kataloge | Schwerpunkt: PERFORMANCE 2009

Eröffnung: Montag, 14. Dezember 2009 um 19.00 Uhr
Einleitende Worte:
Astrid Peterle

Weihnachtsferien: 20. 12. 2009 – 06. 01. 2010
Finissage und Katalogpräsentation PERFORMANCE:
Donnerstag, 29. Jänner um 19.00 Uhr

Der diesjährige Schwerpunkt der FOTOGALERIE WIEN widmet sich der Performance im Bild und im medialen Übertrag. Der Titel der Ausstellungsreihe verweist auf die komplexe Beziehung zwischen Performance und Bild: Die Flüchtigkeit der Performance in ihrer Form als Handlungsablauf trifft auf die Fixierung der Performance durch bildgebende Medien wie Fotografie und Video. Die drei Ausstellungen präsentieren, entgegen einer traditionellen Perspektive, in der Performances vor allem durch die gleichzeitige räumliche und zeitliche Anwesenheit von KünstlerInnen und BetrachterInnen definiert werden, vorwiegend Performances für die Kamera und performative Installationen. So werden alternative Rezeptionen von Performances möglich.

Die dritte Ausstellung – Gender, Politik, soziale Fragen und Intercultural Studies – vereint Positionen aus Europa, den USA und Asien und bietet einen vielfältigen Einblick in künstlerische Auseinandersetzungen mit politischen Thematiken. In ihren Fotografien und Videos befassen sich die KünstlerInnen als AkteurInnen vor der Kamera mit der Geschichte und der sozialen und kulturellen Spezifik der Gesellschaften, in denen sie leben und arbeiten. Die ausgestellten Videos und Fotografien verdeutlichen, wie Kunst das „Sichtbare, Sagbare, Machbare“ (Jacques Rancière) neu verhandeln kann.

Die Fotocollagen aus ihrer frühen, erstmals ausgestellten Werkserie LOCATION: bathroom zeigen Katrina Daschner maskiert in hybriden Räumen. In der transgressiven Auseinandersetzung mit binären Geschlechterkonstruktionen kommen Schleier, Perücken und Bärte ebenso zum Einsatz wie fetischisierte Masken, die von der Künstlerin als „Zuhälter“ bezeichnet werden. Diese „Zuhälter“, die Besitz von Körperteilen ergreifen, kehren spezifische Verlangen hervor anstatt sie maskenhaft zuzudecken.

Die Künstlergruppe G.R.A.M. (Günther Holler-Schuster und Martin Behr) verbildlicht Handlungen völlig unterschiedlichen Ursprungs, von denen zuvor keine Bilddokumente existierten: In der Fotoserie unsichtbar werden Widerstandshandlungen verschiedener sozialer Gruppen gegen das nationalsozialistische Regime in der Steiermark visualisiert. Das Video Musikalische Komödie fürs Fernsehen (Farbfernsehen) zeigt die Realisierung einer niemals zuvor aufgeführten Performance-Partitur Rudolf Schwarzkoglers.

Die Fotos aus Nilbar Güres Serie Unbekannte Sportarten im Öffentlichen Raum dokumentieren eine Performance, die die Künstlerin im Istanbuler, religiös-konservativen Stadtteil Fatih durchführte, der für seine Brautmodengeschäfte stadtbekannt ist. Über einem Boxeroutfit trug Güres ein Brautkleid und eine Art strangulierende Version des traditionellen roten Bandes, das als Zeichen für Jungfräulichkeit gilt. Die Künstlerin bat die PassantInnen, ihr die einzelnen Kleidungsstücke auszuziehen. Auf den Fotos lässt sich das ganze Spektrum menschlicher Reaktionen auf die Performance, die Geschlechternormen unterläuft, ablesen.

Lena Lapschinas Video Innere Werte spielt auf ironische Weise mit Stereotypen von Ost und West und regt zu einer Reflexion über Mythen, Desillusion und Empathie an. Das Video erzählt die Geschichte einer Migrantin aus der ehemaligen Sowjetunion, die sich den langgehegten Traum von „westlichen“ Markenturnschuhen erfüllt. Am Ende lösen sich jedoch nicht nur die Sohlen der Schuhe in ihre Einzelteile auf, sondern auch die Illusion, dass im Westen alles besser wäre.

In Tatsumi Orimotos Performance Punishment steht das Brot als Symbol für eine fehlgeschlagene Kommunikation, aber auch – in der christlichen Konnotation – für den Körper. Die Performance verweist auf die Kreuzigung christlicher Missionare in Nagasaki im Jahr 1597. Die Missionare wurden zunächst als Verbindung zu Europa, schließlich aber als systemdestabilisierend angesehen. Die Performer in Punishment symbolisieren als Brotträger die Überbringer einer Botschaft, die von den Regierenden als Bedrohung verstanden und daher bestraft wurden.

Katarina Ševics‘ Video Social Motion zeigt eine Massenchoreographie, die die Künstlerin im Berliner Skulpturenpark initiierte. Die Faszination für das „Ornament der Masse“ (Siegfried Kracauer) wird hier jeglicher parteiischer oder ideologischer Konnotation enthoben. Ohne Probe, in einer einmaligen Aktion, schritten 120 TeilnehmerInnen unter Befolgung von Regeln, wie etwa der Aufforderung still zu sein und langsam zu gehen, durch den Park. Die Performance wirft damit die Frage nach der Lenkbarkeit und Handlungsfähigkeit des Einzelnen in der Masse auf.

Das neueste Projekt Milica Tomic´s mit dem Titel One day, instead of a night, machine-gun fire will burst through the night, if light cannot come otherwise basiert auf einer Auseinandersetzung mit antifaschistischen WiderstandskämpferInnen in Jugoslawien vor dem Hintergrund der Frage, wie sich das Verständnis von Krieg und Widerstand durch den aktuellen „Krieg gegen den Terrorismus“ verändert hat. In einem Akt des Erinnerns suchte Tomic mit einem Maschinengewehr in der Hand Plätze in Belgrad auf, an denen die KämpferInnen der „People Liberation Movement“ im Zweiten Weltkrieg erfolgreich Aktionen durchführten.

Martha Wilsons
Video-Performances Premiere und Deformation entstanden in den frühen 1970er-Jahren, noch bevor die Künstlerin „Franklin Furnace“, das legendäre Avantgarde-Archiv in New York gründete. In Premiere liest Wilson ein Skript über die Zusammenhänge von Identität, Performance und Alltag vor. Deformation vereinigt die Reflexion der Selbstwahrnehmung mit einer schonungslosen Demontage von Schönheitsidealen: Zunächst präsentiert sich Wilson vor der Kamera mit Make-up so „schön“ wie möglich, um schließlich, ebenfalls mit Make-up und der Veränderung des Kamerawinkels, das Gegenteil zu erreichen.

(textliche Betreuung: Astrid Peterle)