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Ausstellungen

NATUR – VEGETATION II

ZIVILISATION

4. Juni 1998 – 27. Juni 1998

Andrea Abati (IT), Rolf Aigner (AT), Rainer Iglar (AT), Christa Kresina (AT), Paul Albert Leitner (AT), Elmar Mauch (DE), Georg Salner (AT), Jana Wisniewski (AT)

Kataloge | Schwerpunkt: NATUR – VEGETATION 1998

Der Themenschwerpunkt Natur – Vegetation wurde nach Sichtung des eingelangten Materials in vier Unterbereiche gegliedert. Alle beteiligten KünstlerInnen wurden aufgrund einer langjährigen Beschäftigung mit dem Generalthema angeschrieben oder von ausländischen KuratorInnen vorgeschlagen. KünstlerInnen mit speziellen Sehweisen und fotografischen Praktiken, die in einer inhaltlichen Nähe liegen, sind vom Team der FOTOGALERIE WIEN zu Gruppen zusammengefaßt worden.

Natur an der Schnittstelle zur Kulturlandschaft, Natur im Einflußbereich der Menschen, Natur domestiziert, in vorgegebene Felder verwiesen, das ist das Thema des zweiten Schwerpunktes Natur – Vegetation. Doch, je mehr Macht der Mensch über die Natur gewinnt, die ihm vor Jahrtausenden die Lebens- und Überlebensmöglichkeiten diktierte, je mehr Macht, umso mehr Machtmißbrauch findet statt.
Von der „gepflegten“ zur „genutzten“ zur „mißbrauchten“ Natur, ist der Weg nicht allzuweit. Mitgedacht können auch die zwischenmenschlichen Beziehungen werden; Menschen verhalten sich zu Natur und zu Menschen ziemlich ähnlich.
Mit zunehmendem Verlust an dem nur schwer ersetzbaren Gut, steigt die Sehnsucht nach der heilen Welt unberührter oder liebevoll gepflegter Natur. Einen „schuldlosen“ Zustand erträumt sich der Mensch im Schoße der Natur oder sieht ihn im embryonalen Zustand. Zurück zu den Wurzeln meint auch doppeldeutig ein Wiederherstellen des Urzustandes, ein Zurück an den Start.
Die Geschichte der Zivilisation brachte eine Unzahl von „Naturprodukten“ zustande, seltsamerweise hat sich Genmanipulation im Kunstbereich noch nicht so niedergeschlagen, doch kreiert wurden durch Züchtung oder Ausrottung, sowohl Kunstpflanzen als auch Wüsten von Menschenhand.
Wie sehr wir aber an Natur als Basis gekettet sind, beweisen gerade die Höchstleistungen der Technologie, wir zerstören das Klima, es schlägt auf unsere Gesundheit zurück, wir zerstören Heimat und schaffen ein ungeheures Sehnsuchtspotential. Bezeichnenderweise artikulieren sich die Kunstwelten als Ersatzlandschaften – vom künstlichen Kleintier für Schulkinder bis zu den diversen Paradiesgärten der Lust. Die ersten Computeranimationen gefielen sich darin, Wälder und Gärten darzustellen. Das Bildmedium Fotografie hat sich vom Begleiter dieser Prozesse zum Kreateur entwickelt, FotokünstlerInnen stellen nun auch Landschaften her, „Kulturlandschaft“ findet im doppelten Sinne der Bedeutung statt.

Den zweckorientierten Einsatz von Natur beobachtet Andrea Abati und stellt den Trend zur Schaffung künstlicher Idyllen zur Diskussion. Der plakative Einsatz von großen Ideen und großen Gefühlen als verbrauchbares Gut, schwingt in seiner Auffassung von Kulturlandschaft mit.

Rolf Aigner war auf mehreren Kontinenten auf der Suche nach Natur; die Weite scheinbar unberührter Landschaft konfrontiert er in seinen Bildern mit dem Eintritt von Zivilisation. Ob es die Kletterhilfe in der Felswand, die Straße durch unwegsames Gelände, oder einfach das Auto ist, durch dessen „Fensterrahmen“ man die wilde Natur sieht – Mensch war immer schon hier.

Eine flächendeckende Analyse zu Natur/Kultur findet in Rainer Iglars Bildausschnitten statt. Typische Verhaltensformen von Bewohnern und Nutzern der Kulturflächen, seien es Auto-bahnrastplätze, Großraumbüros oder Wohnsituationen, schlagen sich bei der Fokussierung auf Vegetation nieder. Ein einsames Blümchen in einer altmodischen Vase, ein gestutztes Bäumchen in einem Topf vor der Tür, ersetzt je nach sozialer Schicht das Naturerlebnis zumindest temporär.

Wie sich Fotografen dem Thema nähern, das hat auch mit ihren Lebensumständen zu tun. Christa Kresina bezieht sich auf die Jahreszeiten, auf die naive Nutzung von Natur als Nahrung, Freizeitvergnügen und Vorwand für Gefühle. Was die meisten FotografInnen problematisieren, scheint sie zu genießen.

Eine erotische Beziehung zu Pflanzen geht Paul Albert Leitner in der üppigen Pflanzenwelt des Palmenhauses ein. Riechen, schmecken, tasten – die tropischen Gewächse stimulieren die Sinne, der Fotokünstler pflegt seinen Botanikkomplex (so der Titel einer längerfristigen Serie, die von Georg Salner mittels Video dokumentiert wurde) im Wiener Palmenhaus als Genießer. Die positive Seite der „Kunstwelten“ schafft auch ein Heilklima, die unnatürliche Unterbringung von Pflanzen aus anderen Kontinenten wirkt sich als Oase in der Großstadt aus, die keine Naturschützer auf den Plan ruft. Paul Albert Leitners Reportagen sind ironisch gebrochene Allerweltserfahrungen – sie bringen diffuse Gefühlswelt auf einen sichtbaren Punkt, der von vielen Menschen verstanden werden kann.

Elmar Mauch konserviert Heimat durch das Medium Fotografie, die subtile Aufzeichnung seines unmittelbaren Umfeldes, die Landschaft in der er aufgewachsen ist, ist auch seine Traumlandschaft. Die Liebe ist vielleicht etwas, das man „hinter dem berg“ findet, oder hinter dem Berg hält, bevor sie verschlissen wird. Einfache, unspektakuläre Ausschnitte aus einer Wirklichkeit die keine Schlagzeilen macht, das sind die Liebesgeständnisse eines Fotografen, den sein Zivilisierungsprozeß offenbar nicht entwurzelt hat.

Jana Wisniewskis Fotoobjekt aus Kunstgras, Grasfoto und Spiegel zeigt sicher auch ihr: doppelgleisige Berufssituation; erleben, gestalten, durchgehen, reflektieren, Natur/Kultur in einer Zeit aufbrechender Berufsbilder.

(textliche Betreuung: Jana Wisniewski)