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Ausstellungen

LICHT II

LICHTRÄUME

30. August 2016 – 1. Oktober 2016

Akos Czigany (HU), Alek Kawka (AT), Brigitte Kowanz (AT), Ewald Maurer (AT), Andreas Müller (AT), Nina Schuiki (AT), Gerold Tagwerker (AT), Araya Helen Zeru (ET)

BILDER | Kataloge | Schwerpunkt: LICHT 2016

Eröffnung: Montag, 29. August um 19.00 Uhr
Einführende Worte: Ruth Horak

sponsored by: BKA Kunst; MA7-Kultur; Cyberlab; Bezirkskultur Alsergrund
Kooperationspartner: Várfok Galéria, Budapest

Fotografie und Licht gehören so eng zusammen wie Telefon und Ton. Das Licht ist nicht nur eine Voraussetzung für jedes fotografische Bild und entsprechend im Namen des Mediums manifest, sondern auch verantwortlich für entscheidende Entwicklungen rund um die Fotografie. Licht war und ist aber nie nur Voraussetzung für das Fotografieren, sondern immer auch eine Herausforderung. Und gerade im künstlerischen Bereich, wo oft auf die Bedingungen des verwendeten Mediums Bezug genommen wird, ist das Licht eine jener vielseitigen Komponenten der Fotografie, die zur Reflexion anregt. Im diesjährigen Schwerpunkt der FOTOGALERIE WIEN steht das Licht einmal mehr als Akteur im Mittelpunkt: In den drei Ausstellungen Lichtexperimente, Lichträume und Lichtqualitäten spielt es sowohl eine ideelle als auch formgebende Rolle: das Licht als Phänomen, als Kontrast zur Dunkelheit, als Thema und Motiv, sein Einfluss und seine unmittelbaren Auswirkungen auf das Dargestellte und die verwendeten Materialien. Wie kann das Licht festgehalten und sichtbar gemacht werden, wie im Raum installiert, von welchen Lichtqualitäten, -quellen oder -temperaturen sprechen wir, und wie subjektiv ist unsere Wahrnehmung im Vergleich zu dem, was die Apparate aufzeichnen?

Im zweiten Teil der Trilogie Licht liegt der Fokus auf den Lichträumen. Ähnlich wie Gilles Deleuze es für die Bewegung im filmischen Bildfeld beschrieben hat, sind die Lichträume als „Auffangvorrichtungen“ zu verstehen, in welchen das Licht nicht nur frei agieren und sich entfalten kann, sondern auch Begrenzung und Halt findet. Sichtbar werden die Lichträume, wenn Materialien auf das Licht reagieren, Schatten wandern, wenn das Licht von schmalen Lichthöfen eingeengt oder von Spiegeln unendlich fortgesetzt wird, wenn dichter Rauch das Licht streut oder Insekten das Licht durch den Raum tragen. Künstliche Lichtquellen erzeugen dabei überschaubare, lokale Sichtfelder, während das weitschweifende natürliche Licht von architektonischen Räumen eingefangen wird. In den installativen Beiträgen wird auch der Ausstellungsraum als ein weiterer, über den Bildraum der Fotografie hinausreichender Lichtraum miteinbezogen.

In seiner Serie Skies – Hommage à Hiroshi Sugimoto wirft Akos Czigany (Kamera-)Blicke aus Lichthöfen von hohen Gebäuden in den Himmel und kreiert damit einen vertikalen Dialog zwischen Erde und Himmel, Architektur und Kosmos. Bezüge eröffnen sich zu den Gegensatzpaaren Zentrum-Peripherie, Leinwand-Rahmen, Abstraktion-Funktion, Endlichkeit und Unendlichkeit, Offenheit und Geschlossenheit, Nichts und Etwas, Schwarz und Weiß. Dadurch, dass es nur einen Himmel, aber viele verschieden gestaltete Häuser gibt, erscheint das sichtbare Himmelsstück in einem immer anderen, grafisch variierenden Umriss. In Bezug auf das Licht ließ Czigany sich von der biblischen Entstehung der Welt inspirieren, wo aus dem Dunkel das Licht kreiert wurde, und auch von Hiroshi Sugimotos Serie Theaters; hier wurde in einer Langzeitbelichtung der jeweils ganze Film in einer Aufnahme festgehalten – Bilder von hellen Kinoleinwänden entstanden, die die Architektur des Raumes erleuchten. Wie bei Czigany geht es hier um Zeit- und Raumwahrnehmung durch Licht.

Alek Kawka setzt sich in ihren Arbeiten mit der räumlichen Erweiterung von Fotografie auseinander, wobei Spiegelungen und Licht eine große Rolle spielen. In der Ausstellung zeigt sie eine skulpturale Installation, die sie aus dem Prototyp, der Arbeit Miastola von 2012, weiterentwickelt hat. Das neue Objekt besteht formal aus einem Kasten, in dem sich mehrere Lagen von Glasplatten mit Motiven zum Thema „Stadt“ befinden und eine Raumillusion bewirken. Das zugrunde liegende bildnerische Material besteht aus eigenen Fotografien sowie Magazin- und Archivbildern, die in einer Art dreidimensionaler Collage miteinander kombiniert werden. Durch einen oben angebrachten Spiegel werden die unterschiedlichen Ebenen wiederum auf eine Betrachtungsebene fokussiert. Eine spezielle Lichtdramaturgie kreiert eine theatralische Momentaufnahme, die wiederum fotografisch festgehalten wird.

Zentrales Thema der künstlerischen Auseinandersetzung von Brigitte Kowanz ist die Auseinandersetzung mit Qualität, Erscheinung und Darstellung von (künstlichem) Licht. Mit den beiden Neon-Lichtarbeiten Moment und More Light visualisiert sie zum einen das Licht als raumzeitliche Erscheinung. Sie hat unter dem Einsatz von Spiegeln das Licht in die grundsätzlich für das Medium schwer fassbare Dreidimensionalität gebracht. Es sind „Licht-Räume“ entstanden, die die optische Wahrnehmung irritieren und zum Nachdenken über scheinbar sichere visuelle und kognitive Maßstäbe animieren. Zudem bezieht sie sich auf die Tatsache, dass in unserer heutigen Mediengesellschaft das künstliche Licht als wichtiger Übermittler von Zeichen und Botschaften fungiert. Kowanz bringt Texte bzw. Ziffern zum Leuchten, um damit auf die Maßstäblichkeit von Licht und Sprache als Koordinaten in einem Orientierungssystem der Sinne zu verweisen.

Mit der knapp drei Meter langen Fotografie Like Hornets to the Flame hat Ewald Maurer einen ungewöhnlichen, sinnlichen Lichtraum geschaffen. Die Arbeit versteht sich als Aufzeichnung von Flugbahnen und Flügelschlägen von durch Scheinwerferlicht angelockten und dieses umkreisende Insekten. Durch das Licht orientierungslos geworden, kreieren diese konfuse, aber dadurch um so poetischere, kalligrafische Liniengespinste. Die fetten gelben, visuell dominanten Linien entstehen durch den Flug von schnell fliegenden Hornissen, ansonsten handelt es sich um verschiedene Insekten wie Falter, Motten oder Eintagsfliegen. Aufgrund der langen Belichtungszeit von ca. 3-5 Sekunden sind die rasant fliegenden Fledermäuse, die die Insekten auf der Suche nach Beute stundenlang umkreist haben, nicht zu sehen. Durch die additive Aneinanderreihung von Einzelereignissen wirkt die Komposition wie eine Art „Lichtraum-Partitur“.

Andreas Müller zeigt SW-Pigment-Prints aus der Serie Similes. Mit Hilfe eines Studio-Settings wird ein kosmischer Raum suggeriert. Dazu wurden vor einer schwarzen Wand eine von unten nach oben strahlende  Licht- sowie eine ergiebige Rauchquelle installiert. In den aufsteigenden, direkt vor die Kamera gelenkten Rauch wurden vorsichtig reflektierende Partikel eingestreut, die als kleine Lichtpunkte in den Fotografien aufscheinen. Aus einer großen Menge von Bildmaterial kam es – nach formalen Kriterien wie „ Räumlichkeit“ und „Streuung“ – zu einer Auswahl von 28 Bildern, von denen acht als Pigment-Prints realisiert wurden. Der Titel Similes bezieht sich auf die Auseinandersetzung mit dem Wahrheitsgehalt fotografischer Bilder und im engeren Sinn auf einen Vergleich mit der Astro-Fotografie, deren Aufnahmen letzlich un(be)greifbar bleiben. So könnten die Similes inszeniert oder auch „echt“ sein.

Nina Schuiki & Helen Zeru Araya, aus Österreich bzw. aus Äthiopien stammend, zeigen die Video-Arbeit Eri Bekentu, die sie zusammen in Addis Abeba entwickelt haben. Gemeinsam ist den beiden Künstlerinnen das Interesse an urbanen Transformationsprozessen und deren Auswirkungen auf soziale und politische Gegebenheiten. Dies verhandeln sie auch in dem Video, das in dem gleichnamigen traditionellen Kebele (Viertel) Eri Bekentu entstanden ist, was aus dem Amharischen übersetzt „stummes Schreien“ bedeutet. Mit geringen Mittel, aber starker Wirkung haben sie einen leeren Raum, durch dessen zerfallenes Dach das Sonnenlicht gewandert ist, über längere Zeit gefilmt. Immer mehr gerät der Raum durch natürliches Licht in Bewegung und in architektonische Auflösung und entwickelt sich zu einem malerisch-poetischen „Lichtraum“ mit eigenen Gesetzen. Der Film wird begleitet von Geräuschen eines noch bewohnten Wohnhauses in der Nähe.

Gerold Tagwerker
untersucht das Phänomen Licht als Erscheinung und als signalgebendes Element. In seinen Lichtobjekten bringt der vom amerikanischen Minimalismus beeinflusste – aber ungleich experimentierfreudigere – Künstler Leuchtstoffröhren durch elektronische Steuerungen zum Blinken, Aufflackern bzw. zu nervösen Zuckungen. Es geht ihm um die Untersuchung der Mechanismen Störung und Kontrolle, Zufall und Ordnung. Das im Minimalismus gerne verwendete Raster ist auch bei ihm elementares Element seiner Objekte und Architekturfotos – wie z.B. nightpieces –, wo ihn allerdings primär der nicht nachvollziehbare Rhythmus der Innenraumbeleuchtungen und die daraus resultierende Struktur interessieren.

(textliche Betreuung: Ruth Horak)