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TAKE TIME & RELAX

10. Oktober 2006 – 9. November 2006

Karø Goldt (DE), Angie Hicks (EN), Jutta Strohmaier (AT)

Eröffnung: Montag, 9. Oktober 2006, 19.00 Uhr

TAKE TIME & RELAX
In allen Arbeiten, die in der Ausstellung TAKE TIME & RELAX präsentiert werden, spielt der Faktor Zeit“ eine wesentliche Rolle. Langsamkeit und Kontemplation, das Rearrangement von Wirklichkeit sowie das Wechselspiel zwischen dem Besonderen und dem Banalen, sind Charakteristika der ausgewählten Positionen. Der/Die BetrachterIn ist aufgefordert, sich Zeit zu nehmen“ und sich auf die Arbeiten einzulassen“… Take time & relax!!! Ein Plädoyer für die Langsamkeit und die Konzentration auf Details.

Das Video bouquet (2006, 100 Min.) von Karø Goldt ist ein Blumenstillleben. Die Darstellung von Blüten und Zuordnung von Bedeutungen begann in der klassischen Tafelmalerei mit Paradiesdarstellungen, trat dann vor allem bei Mariendarstellungen auf, erfuhr in Folge eine stetige Profanisierung und teilweise auch Änderung in der Bedeutung durch die Stilllebenmalerei. Blumendarstellungen im Allgemeinen standen für Leben und Paradies, Heil, Freude, Vergänglichkeit, Überwindung des Profanen, für das Jenseitige und das Leben nach dem Tod. Die jeweilige Bedeutung der Blüten war zuerst durch die Jahreszeit der Blüte oder durch die arzneiliche Wirkung geprägt und wurde dann durch Legenden, historische Umstände und Darstellungen einem Bedeutungswandel unterzogen oder präzisiert. Die Darstellung von Blumen in Stillleben ist oft in der Form eines Bouquets erfolgt, die wohl bekanntesten sind die von Breughel. Sie sind eine wichtige Inspirationsquelle zu dem vorliegenden Film. Das Bouquet steht für Vielfalt, Reichtum, das Universelle und die Fülle: das ganze Leben und die menschlichen Belange in einem Strauß. Reihenfolge und symbolische Bedeutung der Blüten in bouquet erzählen die Geschichte des Verlustes der Unschuld.
Der Verlust der Unschuld ist irreversibel.

1. weiße Lilie / Unschuld
2. Alpenveilchen / bevorstehendes Leiden
3. Nelke / Passion
4. Orchidee / Erotik
5. Tulpe / Neid und Verlust durch Gier
6. Dahlie / Trauer
7. Mohn / Schlaf und Tod
8. orangefarbene Lilie / Zorn und strafende Gerechtigkeit
9. Rose / Liebe und Leid
10. Pfingstrose / Liebe ohne Leid
11 Narzisse / Sieg über den Tod
12. Primel / Vertreibung der Melancholie

In vielen Werken von Angie Hicks findet sich die thematische Verbindung von Arbeit und häuslichem Ambiente. Das Video Drying Time (2001, 60. Min.) hält das Trocknen eines Küchenbodens fest, der zuvor von einer Frau aufgewischt wurde. Die auf einen Raumausschnitt fixierte Kamera filmt dieses „non-event“ in Echtzeit. Durch die starke Reverenz zur Malerei verändert sich das Bild – vom Banalen zu einer poetisch/ kontemplativen Erfahrung.

In dem Video Passenger von Jutta Strohmaier (2004, 0:19 Min.) wurde mit einer fix montierten, computergesteuerten Digitalkamera über mehrere Tage hinweg jede Minute ein Foto von einem Raum gemacht. Die Kamera war mit jeweils zwei Blenden Überbelichtung auf die Innenseite einer Fensterfront gerichtet, wobei sich die Transparenz der Scheiben entsprechend den herrschenden Lichtverhältnissen verändert. Während die Fenster bei Tag nur einen sehr vagen bis gar keinen Blick nach außen preisgeben – bei Sonnenschein scheinen sie den Raum als weißlich opake Flächen richtiggehend zu isolieren –, tritt der Außenraum mit Einbruch der Dunkelheit zunehmend in den Vordergrund. Im konkreten Fall sind es die gegenüberliegenden Wohnungen bzw. eine Fassade, die unseren Blick des Nachts bei wechselnder Beleuchtung auf sich ziehen. Das nur spärlich einfallende Licht und insbesondere die Ausschnitthaftigkeit des Blickes nach außen geben dem Innenraum den Charakter einer Bühne, die jedoch mit Tagesanbruch selbst wieder in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit zu rücken beginnt. Diese Dokumentation einer kontinuierlichen Wahrnehmungsverschiebung im Spannungsfeld zwischen Innen- und Außenraum ist zu einem Videoloop zusammenmontiert, und wird wandfüllend projiziert. Zentrales Anliegen der Arbeit ist die Auseinandersetzung mit einer Diversität von möglichen Wahrnehmungsspektren, mit den alternierenden Relationen zwischen verschiedenen Innen- und Außenwelten sowie mit der grundsätzlichen Relativität dieser Begriffe. Der Raumbegriff selbst wird im Speziellen hinsichtlich seiner Kategorisierungen in Zugehörigkeit/Ausgeschlossensein, Eigenes/Fremdes, Offenheit/Geschlossenheit, etc. untersucht. Den Rahmen der Arbeit bildet sozusagen ein privater, nach innen gekehrter und kontemplativer Raum, der sich osmotisch und je nach kontextuellen Bedingungen mehr oder weniger zum Außenraum hin öffnet. Das basale Bedürfnis des Menschen nach einer wie auch immer gearteten Form von räumlicher Verankerung – nach einer Heimat, nach Standhaftigkeit, nach einer eindeutigen Perspektive auch im übertragenen Sinne – manifestiert sich oftmals erst in dem Gefühl, an der Schwelle von etwas zu stehen, aus einer Unsicherheit im Übergang oder einem Drang zur Neuorientierung heraus, und wird hier gleichsam als eine Funktion wechselnder Lichtverhältnisse veranschaulicht.

Sarah Kolb 2004