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Ausstellungen

NORBERT MEIER / PETER SEIPEL

7. Oktober 1999 – 30. Oktober 1999

Norbert Meier (DE), Peter Seipel (AT)

Norbert Meier
Die Installation Bielefeld/Theesen 12.7.1995, 11.30–15.30 Uhr erweitert meine früheren Kugelpanoramen um die Aspekte „Richtung“ und „Bewegung“. Dem bisherigen Netz von nebeneinanderliegenden Einzelfotos in der flächigen Darstellung wird durch ein „Visier“ eine neue Ebene aufgelegt. Auf dieser Ebene befinden sich richtungsgebende Scheiben, welche in zwei Bewegungen diagonal über das Raster der Fotos geführt werden. Von Bild zu Bild, nacheinander betrachtet, vollziehen sie eine Drehung von jeweils 45° bzw. 22,5°. Die flächige Installation besteht aus mehreren Panoramen, ihre Hängung  variiert je nach räumlichen Gegebenheiten. Es werden jedoch auf jeden Fall zwei unterschiedliche Hängungen erfolgen: 1. Das Panorama zeigt den Rundumblick des Ortes; die Bilder sind ihrer Entstehung gemäß geordnet. 2. Die Bilder sind nach dem System der drehenden Scheiben geordnet, die horizontal ausgerichtet sind. Anfang und Ende beider Panoramen können theoretisch in der Vertikalen oder Horizontalen zu einem Zylinder zusammengefügt werden.
Eine weitere Darstellung dieser Arbeit datiert aus dem Jahr 1996/97: Flächiges Kugelpanorama, gedreht. Die Bilder sind nicht nur ihrer Enstehung gemäß flächig sortiert, sondern auch dem Winkel der Kamera entsprechend gedreht. Schließlich wird die Installation durch die beiden Fotokugeln, Drehende Fotokugel von 1996/97 und Fotokugelzoetrop von 1999, ergänzt. Sie veranschaulichen jeweils mit demselben Motiv auf ihrer Außen- bzw. Innenhaut den Ort oder das System. (Norbert Meier)

Peter Seipel
RASTER-FAHNDUNG ist die spannende Suche nach Menschenbildern in den Mikro-Strukturen der Oberflächen von Ansichtspostkarten aus aller Welt und gleichzeitig das Aufspüren historischer und zeitgenössischer Druckraster auf den aus verschiedenen Ländern und Zeitabschnitten stammenden Ansichtskarten. Technik: Die auf Flohmärkten, in Antiquariaten oder in Privathaushalten gefundenen Ansichtskarten werden mit hochauflösenden Mikro-Linsen abgesucht. Unterstützt von einer eigens für diesen Zweck entwickelten Beleuchtungstechnik, werden die winzigen Motive anschließend herausfotografiert.
Ergebnis: Auf den Bildern tritt – im Gegensatz zum herkömmlichen Blow up – nicht das Filmkorn in Erscheinung, sondern ausschließlich die Kornstruktur des Druckes.  Die Belichtung erfolgt auf Diapositiv-Film oder auf Farb-Negativfilm mittlerer Empfindlichkeit und feiner Körnung. Bei der anschließenden Ausarbeitung der Abzüge findet keine weitere Manipulation oder Bearbeitung der Bilder statt. Inhalt: Die zufälligen Nebendarsteller eines Postkarten-Motivs werden zu Hauptdarstellern gemacht. Sie repräsentieren mit ihrem Erscheinungsbild (Mode, Frisur, Accessoires, verwendete Fahrzeuge) die Zeitvariablen vor dem Hintergrund der Tradition (Baudenkmäler, Landschaften, Strände, Gewässer, etc.). Die Bildergebnisse des Programms „Raster-Fahndung“ sind ausgewählte Fundstücke, die mit dem ursprünglichen Postkartenbild nicht mehr assoziierbar sind. Denn die Aufmerksamkeit von Fotograf und BetrachterInnen einer Ansichtskarte galt in der Regel ausschließlich dem Hauptmotiv. Menschen und Fahrzeuge wurden meist nur als „belebendes Element“ in die Gestaltung bzw. Betrachtung des Motivs mit einbezogen.
Durch den Zufallsmoment der ursprünglichen Abbildung ergibt sich, daß die Posen der Menschen niemals arrangiert, sondern absolut unbefangen sind. Die in den Mikrostrukturen versteckten Bilder zeigen daher – ähnlich wie die Aufnahmen einer automatischen Kamera – „eingefrorene“ Alltagsmomente. Die Fotos haben dadurch einen quasi-dokumentarischen Charakter.
RASTER-FAHNDUNG folgt weiters nach ästhetischen Kriterien den geometrischen und farblichen Kompositionen in den Mikrostrukturen, bei denen ebenfalls der Zufall Regie geführt hat. Durch die Mikrofotografie tritt die Drucktechnik, mit der eine Ansichtskarte in Serie produziert wurde, in den Vordergrund. Korn-, Linien- oder Punktraster und die sich aus ihrer Überlagerung ergebenden Moiré-Strukturen beim Offsetdruck treten durch die Mikrofotografie ebenso hervor wie die Zerlegung der Farbeindrücke in die Komplementärfarben Gelb, Magenta und Zyan, ergänzt durch die Zusatzfarbe Schwarz.
Als Zeitvariable ebenso wichtig wie das Erscheinungsbild der Menschen, ist die zeittypische Farbgestaltung der Druckwerke. Sie wurde von der zum Zeitpunkt des Druckes gerade vorherrschenden Ästhetik der Film- und Druckfarbenchemie bestimmt. Durch die übliche Plastifizierung der Oberflächen vieler Postkarten sind die Farben auch über Jahrzehnte weitgehend authentisch geblieben.
Mehr oder weniger starken Veränderungen (Ausbleichen, Farbtonverschiebungen, etc.) sind dagegen kolorierte Schwarz-Weiß-Aufnahmen unterworfen sowie Ansichtskarten mit matten Oberflächen, die oft starke Gebrauchsspuren wie Risse, Knicke oder Verschmutzungen aufweisen.
Präsentation: Die Hochglanzabzüge werden auf 16 Millimeter starke Acrylglas-Stegplatten aufkaschiert. Die Oberfläche der Abzüge bleibt unverdeckt. Die Stegplatten heben die Bilder von der Wand ab und geben ihnen Körper und Gewicht. Das zweidimensionale Foto wird dadurch – ähnlich wie eine Karton-Postkarte – zum dreidimensionalen Objekt. Die von der Seite sichtbare Stegstruktur symbolisiert zusätzlich die rasterförmige Suche nach Menschenbildern. Die Fotos sollen aus einer Entfernung von etwa drei Metern und mehr ganzheitlich wahrnehmbar sein. Erst wenn die/der BetrachterIn näher herantritt, lösen sich die Bilder in ihre Farb- und Rasterstrukturen auf. Aus diesem Anspruch ergeben sich die auf die Rastergröße abgestimmten, unterschiedlichen Formate von 13 x 18 bis zu 50 x 70 Zentimetern.
Peter Seipel