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MARGRET EICHER / MARIA THERESIA LITSCHAUER

3. November 1993 – 29. November 1993

Margret Eicher (DE), Maria Theresia Litschauer (AT)

In kluger, zugleich provokanter wie ironisch-lustvoller Verflechtung immer neue Aspekte ihrer künstlerischen Idee, zeigt sich Margret Eichers bildnerische Auseinandersetzung mit herrschenden Systemen und deren Machtsymbolik.
Den Gedanken eines komplexen kybernetischen Systems hierarchischer Beziehungen zitierend, inszeniert sie ein vergleichbar komplexes paralleles Bildprogramm, dabei die Charakteristika des Ornamentalen als gestalterisches Synonym in formaler wie inhaltlicher Hinsicht nutzend.
Vegetabile und geometrische Ornamente im Vervielfältigungsverfahren der Fotokopie der Bilder und Rauminstallationen. Diese Fokussierung auf das Ornament ist entscheidend, ist ihm doch die Unterordnung unter eine dominierende Form ebenso wie der Ausbruch aus derselben immanent.
Es sind die traditionellen Träger von Ornamenten – Körper, Objekte und Räume – oder auch Symbole derselben, die die Künstlerin von Bildebene zu Bildebene präzisierend einflicht. Baubüchern und Zeitschriften entnommene Kopien von Fotoreproduktionen, Bilder posierender Menschen, Bilder von Objekten des alltäglichen Gebrauchs – häufig unter den Prämissen der Werbeästhetik aufgenommen – und Architekturzeichnungen, speziell Grundrisse zentralsymmetrisch angelegter Bauten, werden, zunächst formal betrachtet, zu eigenen, die Friese horizontal begleitenden oder trennenden Bildstreifen ornamentalen Charakters.
Obgleich die Variationsmöglichkeiten der Grundidee enorm sind und der potentielle Bilderfundus schier unerschöpflich ist, gelingt Margret Eicher die je stimmige, überzeugende Wahl der Motivik und deren kompositorische Anordnung: so erzählend wie nötig, so reduziert wie möglich, sich bei aller spürbaren Lust des Bilderfindens nicht ins Beliebige verlierend, sondern präzise am inhaltlichen Konzept entlangarbeitend.
Es ist eben nicht die alle Flächen überziehende Ornamentauffassung beispielsweise der islamischen Kunst, und es sind auch nicht die Ansätze – um zwei Beispiele aus dem Bereich der westlichen Kunst des 20. Jahrhunderts zu erwähnen – der Op- bzw. der Pop-Art, die man zur Beschreibung heranziehen kann. Im Gegenteil. Margret Eichers „lkonen“ dienen neben der ästhetischen Überhöhung immer als Beleg, als Mittel inhaltlicher Zuspitzung, sind Bedeutungsträger innerhalb einer vielschichtigen Bildkomposition.
Das ganze Spektrum der Möglichkeiten des Ornaments, seiner Schmuck- wie Hinweisfunktionen, seiner primären Bindung an die Architektur – aber Auffindbarkeit und Präsenz an vielerlei anderen Orten – bis hin zum „Körperornament“ in Bewegung und Tanz, seiner Indienstnahme wie auch seiner selbständigen Existenz findet sich, verstanden als ihren Absichten adäquateste Zeichensprache im Oeuvre Margret Eichers. Und immer gilt ihr Hauptinteresse dem Menschen, dem Erbauer, Benutzer oder Bewohner und seiner/ihrer Einbindung in restriktive Kontrollsysteme. Die Aufforderung ist eindeutig. (Barbara Kunzendorf-Hohenadl, 1993

 

 A photograph is always invisible: it ist not it that we see (R. Barthes „Camera Lucida“).

Ebenso verwehrt sich Maria Therasia Litschauer gegen die Annahme, daß ein Foto authentisch sein könnte. In ihren Bildern finden sich sowohl historische, gesellschaftspolitische, mythologische als auch bildhafte Komponenten. So verwandelt sich das vor Gold strotzende Interieur einer Kirche in einen bedrohlichen Schlund. Oder der Wiener Hochstrahlbrunnen, der das 1945 errichtete „Russendenkmal“ in der touristischen Hochsaison verdecken soll, erscheint plötzlich schemenhaft als Stephansdom; genauso gut könnte es aber durch die rote Farbe ein feuerspuckender Vulkan sein, obwohl natürlich klar ist, daß es sich um eine Wasserfontaine handelt.
Gerade in der Wien-Serie sind die meisten Fotos schwerlich eindeutig identifizierbar. Das prunkvollhistorisierende Innere der Museen an der Ringstraße wird am oberen Bildrand durch ein Halbrund begrenzt. Der dunkle, kreisrunde Durchbruch zum ersten Stockwerk erscheint als weitgeöffneter Schlund, die symmetrisch ausgebreiteten Schwingen des Adlers als Augen. Obwohl die Fotos bei genauerem Hinsehen eindeutig wienspezifische Architektur, die für eine gewisse Epoche steht, zeigen, so können sie gleichzeitig als Vexierbilder, die beispielsweise in eine böse Fratze einspringen, gesehen werden. Dieses ständige Kippen ist der Fotografin sehr wichtig: „Es ging überhaupt nicht darum, Wien abzufotografieren, sondern ich wollte ganz bestimmte Formen zeigen, durch die die Bilder eine Mehrdeutigkeit kriegen“. Dieser Diskurs ist M. T. Litschauer sehr wichtig. „Die Architektur ist keine Sprache. Daher auch läßt sie sich nur von ihren Rändern her lesen. Dort, wo sie sich mit der Sprache trifft, als der Name einer Repräsentation, darunter sich verschiedene Systeme, Techniken, Diskurse vereinigen, um ein wirkliches Gebäude herauszubringen. (Eva Meyer, Architexturen, Verlag Roter Stern 1986)
Man erkennt zwar die Rolltreppe in der U-Bahn, aber beim freien Anschauen lassen sich darüber hinaus ganz andere Strukturen erkennen wie zum Beispiel: Symmetrie, Kreise; durch die Falschfarbigkeit, die sich durch das Aufblasen der Polaroids ergeben hat, wirken die Bilder unrealistisch. Die stark vergrößerten Polaroidaufnahmen zeigen Unschärfen und farbliche Irritationen, „welche gezielt eingesetzt wurden, um dadurch eine Verfremdung der Bilder und daraus resultierend eine neue Sehweise herbeizuführen“.
Die Kontraste reißen aus, die hellen Stellen werden buchtend. Das „schleißige Bild“ bietet eine neue Interpretationsmöglichkeit des Abgebildeten. Durch die fluchtpunktartig zusammenlaufenden Rolltreppenschienen wirken die hellen Flächen wie Lichtstrahlen. Das Halbrund im Hintergrund läßt die Assoziation zu einem Gesicht aufkommen. „Diese Bilder zeigen die Umsetzung meiner Erfahrung mit Wien. Ob das jetzt durch sanktionierte Sehenswürdigkeiten wie das Riesenrad erfolgt, oder durch eine Formensprache von „Nicht-Sehenswürdigkeiten“ ist prinzipiell gleichgültig. In jedem Fall möchte ich meine persönliche Wien-Interpretation visualisieren. In fast allen Bildern kommen Kreise und Halbkreise vor. Ich glaube, die Identität von Wien ist ein Kreis.“ Das bezieht Litschauer sowohl wörtlich auf den Verlauf des Wiener Prachtboulevards, der Ringstraße, oder den „Gürtel“, anschaulich in den Stuckelementen des Barock und im übertragbaren Sinn „Im-Kreis-Gehen“. Natürlich beinhaltet diese Kreissymbolik (seien es nun die Kuppeln, das Fußbodenmuster der Museen am Ring, das Wiener Praterstadion oder ähnliches) auch die Bewegung im Kreis: Durch die bewußte Unschärfe entsteht der Eindruck von Bewegung, der die BetrachterInnen schwindlig macht. Dieses Schwindelgefühl erinnert an die Fahrt auf einem Karussell, wo man zwar die vorüberhuschende Umgebung vage erkennen kann, aber durch das verzerrte Moment alles ein wenig alptraumartig. Die in einen drehenden Kreis wirkenden zentrifugal- bzw. zentripetalen Kräfte umschreiben für Litschauer ihr Gefühl zu der Stadt Wien. Auf der einen Seite fühlt sie sich zur Mitte (sie wohnt übrigens total im Zentrum) hingezogen, auf der anderen Seite hinausgeschleudert. (Sabine Perthold, aus: AN. SCHLÄGE 5-Mai 90)