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Ausstellungen

FRANZ KAPFER / KAMIL VARGA

4. März 2003 – 2. April 2003

Franz Kapfer (AT), Kamil Varga (SK)

Eröffnung: Montag, 3. März 19.00 Uhr

Franz Kapfer bedient sich in seinen Performances, Videos und Fotoinstallationen äußerst einfacher Mittel. In ihrer Einfachheit entsprechen diese Mittel den leeren Gesten, Ritualen, Symbolen und Monumenten, die Kapfer aufnimmt, um sie zu transformieren und mit ihnen sich selbst. Ein solches künstlerisches Programm hat Tradition, das heißt es schließt an die Vorgaben der Körperkunst der 1970er-Jahre an, wobei man hier differenzieren muss. Charakteristisch für Kapfer ist seine Indifferenz gegenüber dem Gebrauch des Körpers als stylus – als Schreibgerät (erinnert sei an Bruce Nauman). Doch ebensowenig erscheint der Körper – sein Körper – als Fläche (erinnert sei an die sado-masochistischen Einschreibungen der Aktionisten).
Kapfer arbeitet mit der dynamisierten Pose, der Maskerade oder Theatralisierung der eigenen Erscheinung. Und gerade diese ästhetische Entscheidung rückt ihn in eine bemerkenswerte Nähe zu den Praktiken feministischer Körperkunst, die sich vor der Folie des Widerstands gegen Rollen nicht nur an den Neuentwurf der Geschlechter machten, sondern auch soziale Mythologie neu erfanden.  Kapfer nimmt diesen Gestus auf und reicht ihn weiter, was seiner Kunst nicht nur eine verblüffend eigenständige Färbung, sondern zugleich und eher subtil politisches Gewicht verleiht.  Auch das Gros heterosexueller Männer weiß sehr gut, dass Männlichkeit Maskerade ist. Es kann dieses Wissen aber nicht „verkörpern“, geschweige denn leben.
Doch nicht nur das Monument „Männlichkeit“ erlöst Kapfers Arbeiten aus seiner Erstarrung. Des Künstlers Requisitenkammer kennt auch nationalstaatliche und katholisch-christliche Symbole beziehungsweise Rituale. All diese Monolithe werden zur Wiederaufführung gedrängt, sie werden aktualisiert, wobei sich die Kapfersche Wiederaufführung von der eigentlichen Aufführung unterscheidet. (Niemand wird behaupten, dass Theatralisierung der Sprache politischer oder kirchlicher Repräsentation fremd ist). Der Unterschied zwischen Kapfers Aufführung und Herrschaftsrepräsentation liegt in der geänderten Bewegungsrichtung, denn Herrschaftsattribute haben Standbildcharakter, sie suchen die Zeit einzufrieren und bedienen eine Ästhetik des Todes. Kapfer dagegen sucht einen unmittelbaren, sprich: körperlichen Zugang zum Gebrauchswert dieser Attribute. Weil ihr Gebrauchswert aber bei Null liegt, entsteht eine mehr oder weniger groteske Situation. Dabei erscheint auf den ersten Blick die Inszenierung des Künstlers grotesk. Der zweite Blick enthüllt, dass die eigentliche und wahre Groteske im Geltungsanspruch jeglicher Attribute von Herrschaft liegt.
Das Foro Italico in Rom, Mussolinis Versuch, an eine als glorreich empfundene Vergangenheit anzuknüpfen, bildet Schauplatz und Ressource für Kapfers BIG GYM – Römischer Sommer im Foro Italico. Die Arbeit besteht aus zwei Elementen: einer Videodokumentation des Ortes und seines aktuellen Gebrauchs sowie einer Vielzahl kleinformatiger Ansichten des Künstlers in Athletenpose. Antiken Standbildern gleich mimt er hier vor einem blauen Paravent die verschiedenen sportlichen Disziplinen. Das Video nähert sich eher leise dem Foro, aus dem uns bald laute Musik entgegenschallt. Untermalt wird dieser flickenhafte Klangteppich durch grelle Pfiffe und die Kommandos der Vorturner, unter deren Regie ein Kollektiv fitnessbewusster Römerinnen und Römer schuftet und schwitzt. Der Volkskörper, der sich hier fit hält, ist, um das gleich zu sagen, nicht der Volkskörper, den Mussolini im Sinn hatte. Es wäre auch zu vordergründig, das Schauspiel als bloße Allegorie moderner Macht zu deuten, deren totale Entfaltung auf emsig betriebener (und teuer bezahlter) Selbstoptimierung beruht.  Nein, Kapfer weist auf eine Parallele zwischen einer Episode des wahren Lebens und seiner eigenen ästhetischen Strategie. Im gleichen Maße, wie die faschistische Antike „falsch „war, eine psychotische Prätension, ist die aktuelle Indienstnahme des Stadions „richtig“. Doch Wertungen vorzunehmen gehört nicht zum Aufgabenbereich des Künstlers Kapfer, der in seiner Wiederbelebung der steinernen Athleten die Synthese von falsch und richtig, von Standbild und Laufmännchen, von universaler Geltung und situativer Behauptung, von Faschimus und Demokratie inszeniert. (Roger M. Buergel)

Bei Kamil Vargas Fotografie steht weniger die Ästhetik im Vordergrund. Vielmehr ist es sein persönliches Zugeständnis und Spiel, die von Schmerz und nüchterner Untersuchung gesetzten Grenzen zu überschreiten. In seinem außergewöhnlichen und beständigen Output, der von Luminographie dominiert ist, scheint sich vorerst eine Ausnahme zu zeigen. (vgl.: seine Zyklen My friends, 1987, Autumn psycho-therapy and other experiences, 1988–89, Metabolism of fire, 1996-97, und die riesigen Fotografien aus Christ’s years, 1993-98) Dies trifft allerdings nicht zu. Der erste Hinweis darauf ist, daß Kamil Varga sowohl mit der Luminographie als auch mit dem Photogramm um eine Technik bemüht ist, die rein fotografisch ist und sich nicht mit Theater, Malerei oder anderen Kunstformen überschneidet (anders als seine Zeitgenossen, wie beispielsweise Tono Stano, Miro Volík, Rudo Prekop oder Vasil Stanko, bei denen diese Verbindung hergestellt werden kann). Ebensowenig kann man den Aspekt der „Dematerialisierung“ ignorieren, – die Neigung zur Abstraktion, wie sie sich in seinen Photogrammen zeigt. Es ist allerdings nicht ganz richtig, Vargas Christ’s years als reine Photogramme zu bezeichnen, da er eine Mischtechnik einsetzt. Neben dem Photogramm finden wir an manchen Stellen im Bild Vergrößerungen früher gemachter Negative, Kontaktkopien von Großformat-Planfilmen, spezielle Beleuchtungseffekte und Materialstrukturen. Zusätzlich erkennen wir in Christ’s years sein Denken in Bildern, das manchmal soweit geht, daß er konzeptuelle neue Formen kreiert oder anstelle von Worten Zeichen einsetzt.
Der Zyklus Christ’s years, dessen Titel sich zum Beispiel auf den gleichnamigen berühmten Film von Juraj Jakubisko bezieht, führt uns ein wenig hinters Licht. Der Zyklus erzählt nicht die Geschichte eines 33-jährigen Individuums am Scheideweg, sondern vielmehr die einer ganzen Zivilisation, die an einem Punkt ohne Rückkehr angelangt ist. Das Paradoxon liegt in dem Erkennen, daß Zukunft ohne Individuen nicht lebensfähig ist, jedoch gleichzeitig irgendwie eine unabhängige Macht darstellt, die jene kontrolliert, die sie formen.
Bei Vargas früheren Arbeiten intensivierte sich die Abstraktion von Zeugenaussage in der Verschmelzung von Sein und Universum; mit Christ’s years versucht Varga Substanz als verbunden mit dem Prinzip der Montage zu definieren – daher das Zusammenfügen von Fragmenten zu einem Ganzen, in dem jeder und jedes Kontrapunkt, jede kleine Veränderung des Blickpunktes bedeutsam ist. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Schimmern auf einer Wasseroberfläche und dem „Big Bang“, mit dem alles begann. Christ’s years verweigert die Illusion von Raum im Kunstwerk, um „Freiräume“ für Vorstellung, Träume, Metaphern zu schaffen. Der Betrachter tritt in die „Dreizehnte Kammer“ ein, in der sowohl die Märchenprinzessin als auch die Erkenntnis, daß die „Dreizehnte Kammer“ auch eine verzauberte Tür hat, verborgen sein kann. (Václav Macek)